Der Zahlungsunfähige (arab. Muflis) ist jemand, dessen Schulden mehr sind als das Geld, das er besitzt.
Wenn nun die Gläubiger (, denen man etwas schuldet,) den Richter darum bitten, ihm das Vermögen zu entziehen und dieses unter den Gläubigern aufzuteilen, muss er diesem Antrag nachkommen.
Shaykh Salih Al-Fauzan - möge Allah ihn bewahren - erklärte in seiner Erklärung zu den Bestimmungen über „Al-Hajar“ und den Zahlungsunfähigen:
- „Die Bedeutung von ‚Al-Hajar‘ ist in der islamischen Gesetzgebung: Den Menschen daran zu hindern, über ein eigenes Vermögen zu verfügen (und dies zu pfänden). Der Beweis dafür aus dem edle Quran ist die Aussage des Erhabenen: ‚Und gebt nicht den Toren euren Besitz, den Allah euch zum Unterhalt bestimmt hat, sondern versorgt sie davon und kleidet sie und sagt zu ihnen geziemende Worte. Und prüft die Waisen, bis dass sie das Heiratsalter erreicht haben. Und wenn ihr dann an ihnen Besonnenheit feststellt, so händigt ihnen ihren Besitz aus.‘ [An-Nisa: 5-6] Die beiden Versen weisen demnach auf den Hajar beim Toren (Dummkopf) und Waisenkind hin in Bezug auf ihr Vermögen, damit sie es nicht zugrunde richten verlieren. Und es wird ihnen nicht ausgehändigt, bis man sich hinsichtlich ihrer Besonnenheit vergewissert hat. Und der Prophet - Allahs Segen und Frieden auf ihm - hatte bereits bei manchen seiner Gefährten den Hajar durchgeführt, da auf ihn Schulden gelastet haben.
- Und der Hajar teilt sich in zwei Arten auf:
Die erste Art: Der Hajar gegenüber einem Menschen, um das Rechte eines anderen zu bewahren, wie z. B. der Hajar gegenüber dem Zahlungsunfähigen und dies aufgrund der Rechte der Gläubiger (, denen er Geld schuldet).
Die zweite Art: Der Hajar gegenüber der Person selbst und dies aufgrund eines Wohles für ihn, damit er seinen Besitz nicht verliert und zugrunde richtet, wie z. B. der Hajar gegenüber dem kleinen Kind, dem Toren und dem Geisteskranken.
- Die erste Art: Der Hajar gegenüber einem Menschen, um das Rechte eines anderen zu bewahren. Damit ist der Hajar gegenüber dem Zahlungsunfähigen gemeint, und der Zahlungsunfähige ist jener, auf den Schulden lasten und sein vorhandenes Geld ist (wegen seiner Verschwendung) nicht ausreichend. So wird ihm untersagt, frei über sein Geld zu verfügen, damit denjenigen, denen er etwas schuldet, kein Schaden zukommt. Was aber den Unfähigen betrifft, der nicht dazu imstande ist, etwas von seinen Schulden zu begleichen. Von diesem wird nichts verlangt und man soll ihm Aufschub gewähren, und dies aufgrund der Aussage des Erhabenen: ‚Und wenn er (der Schuldner) in Schwierigkeiten ist, dann sei (ihm) Aufschub (gewährt,) bis eine Erleichterung (eintritt).‘
Wer jedoch die Möglichkeit dazu hätte, seine Schulden zu begleichen, so darf bei ihm der Hajar nicht durchgeführt werden und vielmehr wird ihm Aufschub gewährt, da kein Verlangen dafür vorhanden gegeben ist. Er wird aber dazu angewiesen, seine Schulden zu begleichen, wenn die Gläubiger das verlangen, und dies aufgrund der Aussage des Propheten - Allahs Segen und Frieden auf ihm -: ‚Die Verzögerung eines wohlhabenden Menschen (bei der Begleichung seiner Schulden) ist Ungerechtigkeit.‘ Und der wohlhabende ist derjenige, der imstande ist, seine Schulden zu begleichen, da er sich weigert, die Rechte der Menschen zurückzugeben. Sollte er sich nun weigern, seine Schulden zu begleichen, dann wird er weggesperrt. Shaykh Taqi Ad-Din Ibn Taymiyyah - möge Allah ihm barmherzig sein - sagte: ‚Wer dazu imstande ist, seine Schulden zu begleichen, so wird er dazu gezwungen, entweder indem er geschlagen oder eingesperrt wird. Die Imame unter den Gefährten von Malik, Asch-Schafi'i, Ahmad und andere außer ihnen haben klar darauf hingewiesen.‘ Und er (also Ibn Taymiyyah) sagte: ‚Und ich kenne hierbei keine Meinungsverschiedenheiten.‘ Zitatende.
Und der Prophet - Allahs Segen und Frieden auf ihm - sagte bereits: ‚Die Verzögerung des Reichen wird der schlechten Begleichung zugeschrieben und dies erlaubt seine Bestrafung.‘ Überliefert von Ahmad, Abu Dawud und anderen. Und mit ‚seine Bestrafung‘ ist gemeint, dass er weggesperrt wird. Demnach wird der Verzögerer hinsichtlich der Begleichung dessen, was ihm ansteht, bestraft durch die Wegsperrung und die Ta'zir-Strafe. Und dies wird bei ihm wiederholt, bis er dem nachkommt, was man von ihm verlangt. Sollte der Verzögerer nun darauf beharren, schreitet der Richter ein und verkauft seinen Besitz und begleicht damit die Schulden, da der Richter an der Stelle des Verweigerers auftritt, und um den Schaden von den Gläubigern abzuwenden. Und der Prophet - Allahs Segen und Frieden auf ihm - sagte: ‚Es darf weder anfänglichen Schaden (Darar) geben noch nachfolgenden Schaden (Dirar, z. B. in Form von Vergeltung).‘
- Bei dem, was erwähnt wurde, ist verdeutlicht worden, dass es beim Schuldner zwei Situationen gibt:
Die erste Situation: Die Schulden sind auf eine hinausgeschobene Zeit festgelegt. In diesem Fall wird von ihm die Begleichung der Schulden nicht verlangt, bis die Zeit eintrifft, und er muss sie nicht schon davon begleichen. Und sollte er weniger Vermögen haben als die Schulden, die hinausgeschoben wurden, dann wird bei ihm der Hajar deswegen nicht durchgeführt und er wird nicht daran gehindert, frei über sein Vermögen zu verfügen.
Die zweite Situation: Seine Schulden sind aktuell (und müssen sofort beglichen werden):
Der Schuldner hat nun zwei Fälle:
Erstens: Sein Vermögen ist mehr als die Schulden, die auf ihn lasten. Bei diesem wird der Hajar nicht durchgeführt, jedoch wird er angewiesen, seine Schulden zu begleichen, wenn der Gläubiger dies verlangt. Sollte er sich weigern, wird er eingesperrt und mit der Ta'zir-Strafe bestraft, bis er seine Schulden begleicht. Sollte er beharrlich sein hinsichtlich der Einsperrung und der Ta'zir-Strafe und sich weigern, die Schulden zu begleichen, schreitet der Richter ein und begleicht seine Schulden von seinem Vermögen, und er kann das verkaufen, was er verkaufen möchte, um dies er erreichen.
Zweitens: Wenn sein Vermögen weniger ist als die fällige Schuld, die er hat; in diesem Fall wird bei ihm der Hajar durchgeführt über sein Vermögen, wenn die Gläubiger dies verlangen, damit er ihnen keinen Schaden zufügen kann. Dies aufgrund des Hadithes von Ka'b Ibn Malik - möge Allah mit ihm zufrieden sein -, dass der Gesandte Allahs - Allahs Segen und Frieden auf ihm - Vermögen von Mu'adh pfändete und verkaufte. Überliefert von Al-Daraqutni und Al-Hakim, der ihn als authentisch einstufte. Ibn As-Salah sagte: ‚Dies ist ein bestätigter Hadith.‘ Wenn ihm in diesem Fall der Hajar bei ihm durchgeführt werden sollte, so wird dies bekanntgegeben und den Menschen mitgeteilt, dass bei ihm Hajar durchgeführt wurde, damit man sich von ihm nicht täuschen lässt und mit ihm Handel treibt und hierauf sein Vermögen verlorengehen könnte.
- Vier Regelungen stehen im Zusammenhang mit dem Hajar:
Die erste Regelung: Dies steht im Zusammenhang mit dem Recht des Gläubigers und seines vorhandenen Vermögens vor der Durchführung des Hajar und vor seinem neuen Vermögen nach dem Hajar. Der Hajar bezieht sich hierbei sowohl auf das vorhandene als auch auf das neu entstandene Vermögen. Er (also der Schuldner) verfügt demnach nach dem Hajar nicht das Recht, frei über sein Vermögen zu bestimmen, egal auf welche Weise. Sogar vor dem Hajar ist es ihm verboten, auf eine Weise über sein Vermögen zu bestimmen, die den Gläubigern schaden könnte.
Imam Ibn Al-Qayyim - möge Allah ihm barmherzig sein - sagte: ‚Wenn die Schulden sein Vermögen vollständig aufbrauchen, ist es ihm nicht gestattet und nicht gültig, etwas zu spenden, was den Gläubigern schaden könnte, abgesehen davon, ob der Richter den Hajar bei ihm durchgeführt hat oder nicht. Das ist die Ansicht von Malik und die auserwählte Meinung unseres Shaykhs.‘ – Damit meint er Shaykh Al-Islam Ibn Taymiyyah - möge Allah ihm barmherzig sein -. Er sagte: ‚Und das ist die richtige Ansicht, und keine andere (Ansicht) würde ansonsten mit den Grundlagen der Rechtsschule übereinstimmen. Vielmehr ist dies, worauf die Grundlagen und Regeln der islamischen Gesetzgebung hinweisen, denn das Recht der Gläubiger hängt im Zusammenhang mit seinem Vermögen. Deswegen kann der Richter den Hajar gegen ihn durchführen. Und gäbe es nicht die Rechte der Gläubiger gegenüber seinem Vermögen, wäre es dem Richter nicht gestattet, den Hajar gegen ihn durchzuführen. Somit ist er wie der Kranke, der an einer Krankheit leidet, an der er sterben kann. Und nun diesem Schuldner die Möglichkeit zu gewähren, zu spenden, so spricht das gegen die Rechte der Gläubiger. Und die islamische Gesetzgebung erlaubt sowas nicht, denn sie kam ja mit der Bewahrung der Rechte derjenigen, denen Rechte zustehen, und dies auf alle möglichen Wege, und Wege werden geschlossen, die zum Verlust dessen führen könnten.‘ Ende seiner Worte - möge Allah ihm barmherzig sein.
Die zweite Regelung: Wenn jemand seinen spezifischen Besitz, den er an den Schuldner verkauft, geliehen oder vermietet hat, vor dem Hajar gegen ihn. So darf er dies zurückholen und vom (zahlungs)unfähigen Schuldner wegnehmen. Dies aufgrund der Aussage des Propheten - Allahs Segen und Frieden auf ihm -: ‚Wer seinen Besitz bei jemandem vorfindet, der zahlungsunfähig/insolvent geworden ist, so hat er ein mehr Recht darauf.‘ Muttafaqun Alayhi. Und die Fiqgh-Gelehrten - möge Allah ihnen barmherzig sein - haben erwähnt, dass sechs Bedingungen erfüllt sein müssen, damit jemand, der seinen Besitz beim insolventen Schuldner findet, diesen zurückfordern kann.
Erste Bedingung: Dass der Zahlungsunfähige noch lebt, sodass er sein Geld von ihm nehmen kann, so wie Abu Dawud überlieferte, dass der Prophet - Allahs Segen und Frieden auf ihm - sagte: „Wenn er sterben sollte, ist der Besitzer des Eigentums/Gegenstandes gleichgestellt mit den (anderen) Gläubigern.“
Zweite Bedingung: Der gesamte Preis/Betrag bleibt in der Schuld des Zahlungsunfähigen. Wenn nun der Besitzer des Gegenstandes einen Teil des Betrags erhält, hat er kein Recht, diesen zurückzufordern.“
Dritte Bedingung: Das gesamte Eigentum bleibt im Besitz des Zahlungsunfähigen. Wenn nur ein Teil davon gefunden wird, kann er nicht damit zurückfordern, weil er nicht sein gesamtes Eigentum gefunden hat, sondern nur einen Teil davon.
Vierte Bedingung: Dass Gut soll in seinem ursprünglichen Zustand sein, ohne dass sich etwas an seinen Eigenschaften verändert hat.
Fünfte Bedingung: Das Gut darf nicht mit einem Recht Dritter belastet sein, wie zum Beispiel, dass der Zahlungsunfähige es verpfändet hat oder ähnliches.
Sechste Bedingung: Das Gut darf keine dauerhafte Zunahme erfahren haben, wie zum Beispiel eine Zunahme durch Fett. Wenn nun diese Bedingungen erfüllt sind, darf der Eigentümer des Gutes es zurücknehmen, wenn derjenige, bei dem es sich befindet, Insolvenz anmeldet; gemäß dem vorherigen Hadith.
Die dritte Regelung: Die Forderung gegen ihn wird nach dem Hajar eingestellt, bis der Hajar aufgehoben wird. Wer ihm während dieser Zeit etwas verkauft oder leiht, kann es erst nach der Aufhebung des Hajar von ihm verlangen.
Die vierte Regelung: Der Richter verkauft sein Vermögen (also vom Zahlungsunfähigen) und teilt den Erlös entsprechend den fälligen Schulden seiner Gläubiger auf; denn dies ist der Zweck der Beschlagnahme. Eine Verzögerung würde zu Verzug und Ungerechtigkeit gegenüber ihnen führen. Der Richter lässt dem Zahlungsunfähigen jedoch das, was er für Unterkunft, Lebensunterhalt und Ähnliches benötigt.
Was die aufgeschobene Schuld betrifft, so wird sie durch die Zahlungsunfähigkeit nicht fällig und konkurriert nicht mit den fälligen Schulden, weil die Frist ein Recht des Zahlungsunfähigen ist und daher nicht erlischt, wie andere seine Rechte. Sie bleibt in der Schuld des Zahlungsunfähigen. Nach der Verteilung seines Vermögens an die Gläubiger der fälligen Schulden, wenn diese beglichen sind und nichts mehr übrigbleibt, wird die Beschlagnahme ohne richterliche Anordnung aufgehoben, da der Grund für die Beschlagnahme entfällt. Wenn jedoch noch etwas von den fälligen Schulden übrigbleibt, wird die Beschlagnahme nur durch Beschluss des Richters aufgehoben, da der Richter die Beschlagnahme verhängt hat und daher auch über deren Aufhebung entscheidet. Zitatende, gekürzt.
Siehe „Al-Mulakhas Al-Fiqhi“ (2/89-95).
Und wenn noch etwas von den Schulden übrigbleibt, die nicht an ihre Gläubiger beglichen wurden, dann bleibt diese Schuld in seiner Verantwortung, bis ihm Allah - erhaben ist Er – Vermögen zukommen lässt, und er ist verpflichtet, den verbleibenden Teil dieser Schulden zu begleichen.
Und Allah weiß es am besten.